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bbz 12 / 2018: Outen Sie sich nicht an unserer Schule!

Warum es die AG Schwule Lehrer immer noch braucht

von Alexander Lotz

Seit Oktober des letzten Jahres können gleichgeschlechtliche Paare genau wie heterosexuelle eine Ehe schließen. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 darf niemand auf Grund der sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz diskriminiert werden. In den Richtlinien zur Sexualerziehung in der Berliner Schule von 2001 ist davon die Rede, dass offen lesbische und schwule Lehrkräfte Vorbildcharakter haben. Und auch im neuen Rahmenlehrplan für die Berliner Schule steht, dass Akzeptanz sexueller Vielfalt ein wichtiges Ziel im Kompetenzerwerb im Rahmen der fächerübergreifenden Themen darstellt. Die Situation und die Arbeitsbedingungen von schwulen Lehrkräften in den vergangenen 40 Jahren haben sich erheblich verbessert. Warum gibt es dann immer noch eine AG Schwule Lehrer in der GEW BERLIN?

Die AG Schwule Lehrer hat seit jeher im Kern drei Funktionen: Es geht um Gewerkschaftsarbeit, um bildungspolitisches Engagement und darum, sich gegenseitig auf einer sehr persönlichen Ebene auszutauschen und zu stützen.

Diskriminierung ist noch immer aktuell

Ein wesentlicher Teil der Arbeit einer Gewerkschaft ist es, sich für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen. Dazu gehört es eben auch, dass Arbeitsplätze so gestaltet sind, dass dort niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt wird. Durch das AGG ist dies gesetzlich verboten. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Kolleg*innen wegen ihrer vermuteten oder offen gelebten sexuellen Orientierung Benachteiligungen erfahren. Sie werden unter Druck gesetzt oder ihnen wird vorgeschrieben, wie sie damit in Schule und Unterricht umzugehen haben. Da ist beispielsweise die Schulleiterin, die den Kollegen, den sie einstellen möchte, unter Tränen auffordert, es »soft anzugehen«, weil sie von homophoben Einstellungen unter den Schüler*innen ausgeht. Da ist eine weitere Schulleiterin, die dem neuen Kollegen an einer Brennpunktschule davon abrät, sich zu outen, weil sie ebenfalls davon ausgeht, dass negative Reaktio-nen durch die Schüler*innen zu befürchten sind. Da ist der Vater, der über den offen schwulen Kollegen gegenüber der Schulleitung äußert, wie diese »so jemanden« einstellen könne. Und da ist der Schulrat, der den schwulen Kollegen in der Probezeit auffordert, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, in der er sich verpflichtet, sich nie wieder in einem sozialen Dating-Netzwerk anzumelden. …

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bbz 12 / 2018: Gewerkschaftliches Engagement lohnt sich

Sich gegen die Diskriminierung von weiblicher und männlicher Homosexualität einzusetzen – so lautete das Ziel der AG Schwule Lehrer bei ihrer Gründung. Was hat sich in 40 Jahren getan?
von Ulf Höpfner und Detlef Mücke

Die »AG homosexuelle Lehrer« war bei ihrer Gründung vor 40 Jahren die er-ste ihrer Art in ganz Deutschland. Im Oktober 1980 erreichte sie einen bundesweit wegweisenden Beschluss des Gewerkschaftstages der GEW. Wir haben uns unsere Forderungen von damals noch einmal genauer angeschaut.

Der Beschluss war in drei Teile gegliedert: Der Teil A sollte das Selbstverständnis der GEW bezüglich der damals noch sehr stark umstrittenen Akzeptanz von Homosexualität und natürlich erst recht von homosexuellen Lehrkräften klären. Viele Menschen damals, auch Kolleg*innen, gingen wie selbstverständlich davon aus, dass einvernehmliche Homosexualität von Erwachsenen krankhaft sei. Die Weltgesundheitsorganisation strich »Homosexualität« erst 1992 als Krankheit. Strafrechtliche Relevanz hatte sie in eingeschränkter Form immer noch bis 1994. Der Kontakt von Homosexuellen mit Kindern und Jugendlichen, erst recht in der Schule, war hochgradig vorurteilsbelastet. In diesem Klima sollte für die GEW ab sofort gelten: »Die GEW sieht es als ihre Aufgabe an, sich für den Abbau der bestehenden Diskriminierung von weiblicher und männlicher Homosexualität und von lesbischen Frauen und homosexuellen Männern im Erziehungsbereich einzusetzen.« Von dieser grundsätzlichen Feststellung hingen alle weiteren Detailforderungen ab. …

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bbz 12 / 2018: Sei wie du bist

Es gab eine Zeit, in der Lehrer, die sich an der Schule geoutet haben, entlassen wurden. Detlef Mücke hätte dieses Schicksal auch treffen können. Aber anstatt unauffällig zu sein, hat er sich gestellt und gewonnen
Martin Helbig interviewt Detlef Mücke

Wusstest du schon, dass du schwul bist, als du anfingst zu unterrichten? Und wenn ja, wie war es für dich zu wissen, dass du deswegen gekündigt werden kannst?
Mücke: Ich bin nach Berlin gekommen, weil ich wusste, dass ich schwul bin. Ich wollte den Schutz der Großstadt. Ich hatte Angst vor Diskriminierung am Arbeitsplatz, denn während meines Referendariats galt noch das Berufsverbot für schwule Lehrer. Ich habe 1973 erlebt, wie ein Kollege aufgrund seiner Homosexualität entlassen werden sollte. Dagegen organisierte ich mit der studentischen Pädagogengruppe der Homosexuellen Aktion Westberlin ein Berufsverbote-Komitee sowie Demonstrationen von Eltern und Schüler*innen für den Kollegen. Durch unser Engagement ermutigten wir den Kollegen, den Rechtsschutz der GEW BERLIN zu beantragen. Dies tat er und gewann. Er wurde nicht entlassen. In einem Gespräch mit der Senatsverwaltung 1979 erwirkten wir als neu gegründete AG Homosexuelle Lehrer, dass das Bekanntwerden der Homosexualität eines Lehrers kein Anlass für dienstrechtliches Vorgehen mehr ist. Damit waren Berufsverbote für schwule Lehrer quasi abgeschafft.

Du hast schon in den 1970ern unterrichtet. Konntest du in deinem Unterricht über das Thema Sexualerziehung reden?
Mücke: Ja! Ich habe nach meinem Coming-out an der Schule Schülerinnen und Schüler stets ermutigt, Fragen, die sie haben, auch zu stellen. Dabei wollten sie mich nie ausfragen, sondern mehr über sich selbst und ihre eigene Situation erfahren. Es war mir stets wichtig, dass in der Klasse ein Klima herrschte, in dem auch solche persönlichen und sensiblen Themen besprochen werden konnten, ohne, dass sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig diskriminierten. …

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