Kurz vor zwölf Uhr am Donnerstag beginnt die Musik. Leise Töne, die der Wind über die nahen Wiesen im Naturschutzgebiet Berlin-Malchow trägt. Ein aufgeregter Chor aus etwa 40 Schülern singt: „Das Ufer der Zukunft weckt das Verlangen, sich hier zu öffnen, zu offenbaren, zu dir zu stehen.“ Auf einer braunen Stute mit Blüten im Schweif kommt eine Frau im langen blauen Kleid geritten. Ihr Ziel: der vielleicht romantischste Heiratsantrag dieses Herbstes.
Bereits seit Monaten plante Musiklehrerin Christine K. diesen Tag. Der Tag, an dem die 33-Jährige ihrer Freundin und Lehrerkollegin Nadine P. die Frage aller Fragen stellen will. Vor allen Augen, vor allen Schülern, allen Kollegen – der ganzen Stadt.
Sich nicht zu verstecken, das war schon immer Christine K. Motto. Offen geht die Mutter zweier kleiner Kinder mit ihrer Homosexualität um. Und damit ist sie längst nicht allein. Täglich werden in allen Ecken der Stadt und der Republik glückliche Hochzeitsanzeigen geschaltet, seit die Politik mit dem Gesetz zur „Ehe für alle“ den Weg für die Hochzeit gleichgeschlechtlicher Paare frei gemacht hat. …
An der Altenburg- Gemeinschaftsschule Stuttgart wurden sechs Schüler und sieben Lehrer zum Thema befragt und begleitet.
Der Hauptfilm dient am Pädagogischen Tag Stuttgart als Diskussionsgrundlage für fünf Themen, welche tagtäglich die Toleranz von allen am Schulalltag beteiligten Menschen auf die Probe stellen.
Wo wird Toleranz gefordert? Durch welche Aspekte wird Toleranz gefördert? Wo gerät Toleranz an ihre Grenzen? Was ist überhaupt Toleranz?
Wir dokumentieren ein als Hilferuf gedachtes "Coming-out" von Thomas Ott, Inhaber von Stuttgarts queerem Traditions-Buchladen.
Hallo Welt!
Nenne ich dies nun "Bekanntmachung" oder "Offener Brief", "Hilferuf" oder "S.O.S."? Oder sollte ich es "Coming-out" nennen?
Ich glaube, das passt: Denn ähnlich unangenehm war mir ein "Bekennen" letztmalig im Oktober 1975. Da hatte meine Mutter beim "Aufräumen" (oder "Schnüffeln?") in meinem Zimmer die erste Ausgabe der "Du & ich" gefunden, die ich mir ein paar Tage zuvor schwer ohnmachtgefährdet in einem Kiosk am Bahnhof Feuerbach gekauft hatte. In Degerloch hätte ich mir sie nicht kaufen können, da wohnte ich ja. Am Olgaeck ebensowenig, das war in der Nähe der Waldorfschule, und x Mitschüler/innen hätten mich sehen können…
Meine Mutter fand es also, das Magazin, "entsorgte" es im Mülleimer, nicht ohne es vorher in kleine Streifen zerrissen zu haben, falls denn bei der Müllabfuhr jemand… Und bat mich mit verheulten Augen darum, ihr zu sagen, "dass das nicht stimmt!" Und ich heulte auch ein bisschen, verwarf dann aber Gedanken an Selbstmord oder Auswandern und ging hoch in die Küche und sagte zu meiner Mutter: "Doch. Es stimmt. Ich bin schwul!" Dann wurde gemeinsam geflennt. Der Anfang einer langen Geschichte, die dann besser wurde…
Das Thema Homosexualität sei in vielen türkischstämmigen Familien nach wie vor ein absolutes Tabu, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.
Von Tilman Baur
Stuttgart - Menschen mit Migrationshintergrund, die von der Norm abweichen, haben es oft schwer. Anlässlich des Christopher Street Days (CSD) hat die Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg (TGBW) bei einer Veranstaltung auf die Situation der LSBTTIQ-Gemeinde aufmerksam gemacht. Die Abkürzung steht für „Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queer“. Vor allem das Thema Homosexualität sei in vielen türkischstämmigen Familien nach wie vor ein absolutes Tabu, sagte der Vereinsvorsitzende Gökay Sofuoglu.
Die TGBW ist einer der wenigen türkischen Institutionen, die sich des Themas annimmt. So wirbt der Verein im Modellprojekt „Kultursensible sexuelle Orientierung – Andrej ist anders und Selma liebt Sandra“ mit Postkarten, Plakaten und Broschüren um Akzeptanz. Darüber hinaus bietet das Projekt Beratungsgespräche an und kooperiert mit bestehenden Institutionen wie dem schwul-lesbischen Weissenburg-Zentrum. Beim CSD ist der Verein erstmals mit einem Wagen vertreten. …
Das Landesverfassungsgericht in Greifswald hat am Vormittag die Klage eines Landesbeamten gegen das Landes-Gleichstellungsgesetz abgewiesen. Der Mitarbeiter des Bürgerbeauftragten kritisierte, dass nur weibliche Beschäftigte eine Gleichstellungsbeauftragte wählen und für diese Position kandidieren dürfen. Dies verstößt nach Ansicht der Richter nicht gegen das Grundgesetz und die Landesverfassung, die die Gleichstellung von Mann und Frau garantieren sollen. Die Richter bestätigten das Gesetz mit ihrem Urteil als verfassungskonform.
Gleichstellung zur Förderung von Frauen
Damit bleibt das Landes-Gleichstellungsgesetz wie es ist: Männer dürfen auch künftig nicht Gleichstellungsbeauftragte werden. Landtag und Landesregierung hielten die Verfassungsbeschwerde bereits im Vorfeld für unzulässig und unbegründet. Die Wahlrechtsbeschränkungen für Männer seien gerechtfertigt, da Frauen immer noch strukturell benachteiligt seien, hieß es. Das Gericht folgte dieser Ansicht: Es sei ein Frauenförderungsgesetz. …
Kernanliegen der Leitperspektive „BTV“ (Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt) ist es laut dem Bildungsplan 2016, „Respekt sowie die gegenseitige Achtung und Wertschätzung von Verschiedenheit zu fördern.“
Als eine Erscheinungsform von Vielfalt wird – neben „unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, Nationalität, Ethnie, Religion oder Weltanschauung, unterschiedlichen Alters, psychischer, geistiger und physischer Disposition“ – auch die Vielfalt sexueller Orientierung genannt.
Religionslehrkräfte, die sich fragen, wie das Thema Homosexualität im Religionsunterricht vorkommen könnte, erhalten mit der nun vorliegenden Handreichung des ptz Anregungen für die Diskussion und Praxisimpulse für den Evangelischen Religionsunterricht.
Nuri Kiefer ist Schulleiter in Reinickendorf - und schwul. Für Homosexuelle kann das Leben an Schulen zur Qual werden, sagt er. Aber er kennt auch das Gegenteil. Ein Gespräch zum Tag gegen Homophobie.
von Frank Bachner
Herr Kiefer, Sie leben offen schwul, auch als Lehrer. Wann wurden Sie zuletzt wegen Ihrer Homosexualität offen angefeindet?
Oh, das ist lange her. Das war 2006, als ich noch in einer Realschule in Karlsruhe gearbeitet habe. Ich hatte mich dort als Schulleiter beworben, und der stellvertretende Schulleiter hatte den zuständigen Gremien gesteckt, dass ich schwul bin. Er wollte meine Beförderung verhindern, hatte aber Pech – die Gremien haben mich als Schulleiter akzeptiert, und der stellvertretende Schulleiter wurde von der Schulaufsicht versetzt.
Da dürften einigen Ihrer homosexuellen Kollegen anderes erlebt haben. Welche Klagen hören Sie denn von denen?
Offengestanden, hören wir als GEW relativ wenig. Wir bekommen auch als AG Schwuler Lehrer selten Rückmeldungen, dass Lehrer offen angegangen werden – aber vereinzelt gibt es diese Fälle.
Was sind denn die krassesten Fälle, die Ihnen bei der GEW gemeldet werden?
Lehrer werden zum Beispiel in sozialen Netzwerken gemobbt. Man versucht, ihre Homosexualität zur Schau zu stellen. Oder Schüler loggen sich in Partnerportale von Homosexuellen ein, geben sich dort als Erwachsene aus, forschen nach ihren Lehrern und machen dann ihre Recherche-Ergebnisse öffentlich. Und mitunter ist es dann so, dass die Betroffenen von ihren jeweiligen Schulleitungen nicht unterstützt werden. …
Die „Demo für Alle“ will die Reform der schulischen Sexualerziehung verhindern. Sie kämpft gegen Lehrpläne, die die Akzeptanz von Vielfalt fördern wollen - jetzt auch in Hessen.
Jonas Fedders
Es klingt apokalyptisch: „Die staatlich-obligatorische Sexualisierung unserer Kinder zerstört für immer die Scham, ruiniert die Menschen und somit unser Volk“, heißt es auf einem selbst gebastelten Plakat, das ein älterer Herr auf seinem Rücken trägt. Ein paar Meter weiter steht Hedwig von Beverfoerde auf der Ladefläche eines Lastwagens, dahinter prangt das Logo ihres Aktionsbündnisses: Die Umrisse sollen offenbar eine Familie darstellen, mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Das Mädchen und die Frau tragen lange Haare und Röcke, der Junge und der Mann kurze Haare und Hosen. Es ist der Prototyp einer Familie, wie Beverfoerde und ihre Anhänger ihn sich vorstellen. Eine Familienkonzeption, die tausende Menschen offenbar bedroht sehen.
Beverfoerde gilt als Hauptinitiatorin der „Demo für Alle“. Das Aktionsbündnis ist Teil einer Bewegung, die seit mehreren Jahren gegen eine angebliche „Frühsexualisierung von Kindern“, den Feminismus und die „Homo-Lobby“ mobil macht. Das Thema eint konservative CDU-Anhänger, christliche Fundamentalisten, Rechtspopulisten von der AfD und handfeste Neonazis. Ihr gemeinsamer Hauptfeind ist der „Gender-Wahnsinn“. Mit dem englischen Begriff „gender“ werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht die gesellschaftlich geformten Geschlechtseigenschaften beschrieben – also zum Beispiel Vorstellungen darüber, was typisch männlich oder weiblich sei. In der Dekonstruktion dieser angeblich natürlichen Geschlechtlichkeit sehen die Gegner der Gender-Forschung eine „Indoktrination“ und einen „Angriff auf Ehe und Familie“ . …